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Bei Ihrem 80-jährigen Parkinson-Patienten, Herrn Schmitt, wurde während eines zurückliegenden Krankenhausaufenthalts ein zu niedriges Körpergewicht festgestellt. Ihm wird eine hochkalorische Trinknahrung als tägliche Ergänzung zu den Mahlzeiten empfohlen. An den genauen Produktnamen konnte sich der Patient nicht mehr erinnern – in der Apotheke wird ihm eine hochkalorische und eiweißreiche Standardtrinknahrung passend für den erhöhten Proteinbedarf von Senioren empfohlen. Herr Schmitt trinkt sie 2mal täglich jeweils zwischen den Mahlzeiten.
Zur Dauermedikation Ihres Patienten zählen u. a. schnell lösliches Levodopa (06:00 h), Levodopa / Carbidopa 100 / 25 mg unretardiert (07:00 h – 11:00 h – 16:00 h), Levodopa / Carbidopa 200 / 50 mg retardiert (22:30 h). Nach zwei Wochen stellt sich der Patient in Ihrer Praxis vor und berichtet, dass er mit neuen Wirkungsschwankungen von Levodopa zu kämpfen hat. Bereits weit vor der nächsten Levodopa Einnahme bemerkt er ungewohnte motorische Einschränkungen.
Was ist passiert?
Parkinson-Patienten haben ein erhöhtes Risiko für Gewichtsverlust und Mangelernährung.1 Es wird eine Prävalenz von 22 bis 23 % angegeben.4 Besonders gefährdet sind Patienten mit höherem Alter bei Diagnosestellung, mit höherer Levodopa-Äquivalent Tagesdosis pro Körpergewicht, mit bestehenden Angstzuständen und Depressionen sowie allein lebende Patienten.1 Gewichtsverluste und Mangelernährung werden mit einem Anstieg des Energieverbrauchs bei Auftreten bzw. Verschlimmerung von Dyskinesien und Rigidität assoziiert, der nicht durch Nahrungsaufnahme kompensiert wird. Auch gastrointestinale Dysfunktionen, die mit der Erkrankung einhergehen (z. B. Obstipation, Dysphagie) können Einfluss auf die Energiebilanz haben.1 Kann eine angemessene Nährstoffzufuhr über die Nahrung nicht gewährleistet werden, ist für viele Patienten eine Anreicherung der Nahrung bzw. auch eine orale Trinknahrung erforderlich.4
Seit über 50 Jahren ist Levodopa (L-Dopa) der Goldstandard in der Parkinson Therapie.3 Bei L-Dopa handelt es sich um einen Präkursor, der die Blut-Hirn-Schranke überwinden kann und dann im Gehirn in seiner aktiven Form Dopamin zur Verfügung steht.2
Levodopa weist strukturelle Ähnlichkeiten zu aromatischen Aminosäuren wie Phenylalanin, Tyrosin und Tryptophan, sog. großen neutralen Aminosäuren (LNAA – large neutral aminoacids) auf und wird im proximalen Darm und der Blut-Hirn-Schranke von denselben Transportproteinen aufgenommen.3 Bei gemeinsamer Einnahme von Levodopa mit proteinreicher Nahrung (z. B. Fisch, Fleisch oder Milchprodukten) kommt es zu einer Konkurrenzsituation an den Transportern. Besonders relevant für Fluktuationen in den Levodopa-Spitzenkonzentrationen scheint der beeinträchtigte Übertritt an der Blut-Hirn-Schranke zu sein. Die intestinale Aufnahme ist vermutlich weniger durch die Konkurrenzsituation am Transporter als vielmehr durch gastrointestinale Dysfunktionen beeinträchtigt.2,3,5 Bei dieser Wechselwirkung zwischen Arzneimittel und Nahrung können signifikant gesenkte Spitzenplasmakonzentrationen von L-Dopa, im Schnitt von 30 % resultieren. Dies kann sich in einem reduzierten Therapieansprechen äußern (z. B. Abnahme der motorischen Fähigkeiten, Bradykinesien).2,3
Da Herr Schmitt die hochkalorische und zudem eiweißreiche Trinknahrung zwischen den Mahlzeiten zu sich nimmt, sind die Einnahmeabstände zu seiner Levodopa Medikation zu gering. Es kommt zu einer verringerten Levodopa-Wirksamkeit, was sich bei ihrem Patienten in Form von motorischen Einschränkungen bemerkbar macht.
Wie lässt sich das Problem vermeiden?
Gemäß der ESPEN-Leitlinie klinische Ernährung in der Neurologie soll Levodopa mindestens 30 Minuten vor den Mahlzeiten eingenommen werden.1 Die Abstandsempfehlungen nach einer Mahlzeit schwanken, je nach Quelle, von 1 bis 2 Stunden. Falls die Nüchtern-Einnahme Übelkeit verursacht, kann ein (proteinarmer) Imbiss zur Medikation eingenommen werden z. B. Cracker oder Toast.3-5 Kleinere Mengen Eiweiß zeigten in Untersuchungen keinen relevanten Einfluss auf die Pharmakokinetik von L-Dopa.4
Kommt es weiterhin zu motorischen Fluktuationen, kann eine Protein-Umverteilungs-Diät erwogen werden. Das bedeutet, der Patient nimmt den größten Anteil seiner täglichen Proteinmenge am Abend während des medikationsfreien Intervalls zu sich. Allerdings sollten Patienten darauf hingewiesen werden, keinesfalls auf Proteine zu verzichten, denn aufgrund fehlender Evidenz wird eine strikte proteinarme Diät (< 0,8 g/kg/KG) nicht empfohlen.1,3,4
Bei drohender bzw. vorliegender Mangelernährung kann eine spezielle hochkalorische, aber eiweißarme Trinknahrung, die ursprünglich für Patienten mit Nierenproblemen vorgesehen ist, eine Möglichkeit darstellen.4 Grundsätzlich ist auch eine regelmäßige Beurteilung des Ernährungszustandes (Körpergewicht) sowie diätetische Schulung für Parkinson-Patienten empfehlenswert.4
Da Ihr Patient bisher gut mit seiner Medikation zurechtkam, erläutern Sie ihm den Zusammenhang zwischen den Wirkungsfluktuationen und seiner eiweißreichen Trinknahrung. Sie erinnern ihn an die nüchterne Einnahme seiner Levodopa-Arzneimittel und vermerken die Einnahmehinweise auf seinem Medikationsplan. Zudem empfehlen Sie ihm den Wechsel seiner Trinknahrung auf ein eiweißarmes, aber hochkalorisches Produkt.
Fazit:
Die Wirkung von Levodopa kann durch diätetische Ansätze optimiert und Nebenwirkungen reduziert werden. Eine ausführliche Aufklärung von Patienten und ggf. Angehörigen, sowie eine genaue Dokumentation, am besten mit angegebenen Uhrzeiten auf dem Medikationsplan, können es vereinfachen, Medikamenteneinnahme und Mahlzeiten abzustimmen.
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Quellen:
[1] Burgos R, et al. ESPEN guideline clinical nutrition in neurology. Clin Nutr. 2018 Feb;37(1):354-396
[2] Agnieszka W, et al. How to Optimize the Effectiveness and Safety of Parkinson's Disease Therapy? - A Systematic Review of Drugs Interactions with Food and Dietary Supplements. Curr Neuropharmacol. 2022;20(7):1427-1447
[3] Rusch C, et al. To restrict or not to restrict? Practical considerations for optimizing dietary protein interactions on levodopa absorption in Parkinson's disease. NPJ Parkinsons Dis. 2023 Jun 24;9(1):98
[4] DGEM S3-Leitlinie Klinische Ernährung in der Neurologie; AWMF-Registernummer 073/019; 2013
[5] Veröffentlichung (ABDA); Sicher is(st) sicher; 2014