Für Unternehmen
Digitale Arzneimitteldatenbanken und Software-Lösungen für die Integration in Praxisverwaltungssysteme, Patienten-Apps oder andere medizinische Informationssysteme.
Zur Übersicht
Sie überlegen, der 72jährigen Frau Müller aufgrund einer neu aufgetretenen Depression Citalopram (20mg 1xtägl.) zu verordnen.
Was könnte hier passieren?
Ein Blick auf ihre Vorerkrankungen zeigt, dass sie vor einigen Jahren ein Magengeschwür hatte, an einer Gonarthrose leidet, und 1-2xtägl. Diclofenac 75mg einnimmt. Gibt es hier vielleicht doch ein Problem?
Zahlreiche Studien zeigen, dass selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) wie Citalopram, Fluoxetin oder Paroxetin das Risiko für gastrointestinale Blutungen etwa verdoppeln. In Kombination mit nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR, inkl. niedrig-dosierter Acetylsalicylsäure), die allein das Risiko etwa verdreifachen, wurde eine etwa 6-fache Erhöhung des Blutungsrisikos nachgewiesen.
Das absolute Risiko ist stark vom patientenindividuellen Grundrisiko abhängig. Eine Meta-Analyse gibt die number needed to harm (NNH) für über 50-jährige Patienten ohne weitere Risikofaktoren, die SSRI einnehmen, mit 411 (pro Jahr) bzw. mit 106 bei Kombination von SSRI mit NSAR an. Für Patienten, die schon einmal wegen eines Ulkus behandelt wurden, sinkt die NNH auf 177 (SSRI allein) bzw. 46 (SSRI plus NSAR); waren die Patienten aufgrund einer oberen gastrointestinalen Blutung jemals stationär behandelt, ist die NNH 70 bzw. 19 (pro Jahr).
Neuere Untersuchungen zeigen außerdem, dass unter Therapie mit SSRIs oder SNRIs auch das Risiko für Hirnblutungen etwa 1,5-fach erhöht ist.
Ein erhöhtes Blutungsrisiko besteht auch bei Kombination von SSRI mit Thrombozytenaggregationshemmern oder direkten oralen Antikoagulantien (DOAK). Bei der Gabe von SSRI und DOAK ist es etwa doppelt so hoch wie bei der Gabe von DOAKs allein.
Ursache für die verstärkte Blutungsneigung unter SSRI ist vermutlich die Wirkung von SSRI auf den Serotonin-Spiegel der Thrombozyten, da Serotonin-Transporter nicht nur im Gehirn vorkommen. Als Antwort auf eine Verletzung spielt die Freisetzung von Serotonin aus den Blutplättchen eine wichtige Rolle bei der Regulierung der Hämostase. Da diese jedoch nicht selbst Serotonin bilden können, wird es aus dem Blutkreislauf mittels Serotonin-Transporter in die Blutplättchen aufgenommen. SSRI hemmen diese auch an Thrombozyten, wodurch weniger Serotonin in die Thrombozyten gelangt. In Folge wird die Thrombozytenaggregation, die Sekretion von Plättchenfaktoren und die Gerinnungskaskade beeinträchtigt.
Wie lässt sich das Problem vermeiden?
Fazit:
Patienten mit einem erhöhten Blutungsrisiko, z.B. aufgrund einer Therapie mit NSAR (insbesondere unter Therapie mit ASS), DOAKs, oder Thrombozytenaggregationshemmern, vor allem in Verbindung mit einem Blutungsereignis in der Vergangenheit (Hirnblutung, gastrointestinale Blutungen oder Magengeschwür) sollten vorsichtshalber
Da NSAR leicht verfügbar und oft unkritisch verwendete Medikamente sind, ist es wichtig, Patienten mit erhöhtem Blutungsrisiko, die mit SSRI behandelt werden, über diese Problematik aufzuklären.
Sie wollen mehr Spannendes über Arzneimittelinformationen erfahren?
Dann melden Sie sich jetzt zu unserem Newsletter an und Sie erhalten alle 2 Wochen interessante Informationen zu Arzneimitteln und zur Arzneimitteltherapiesicherheit.
LITERATUR:
[1] de Jong JCF et al. Combined use of SSRIs and NSAIDs increases the risk of gastrointestinal adverse effects. Br J Clin Pharmacol. 2003; 55(6): 591-595
[2] Loke YK et al. Meta-analysis: gastrointestinal bleeding due to interaction between selective serotonin uptake inhibitors and non-steroidal anti-inflammatory drugs. Aliment Pharmacol Ther. 2008; 27(1): 31–40
[3] de Abajo FJ, García-Rodríguez LA. Risk of upper gastrointestinal tract bleeding associated with selective serotonin reuptake inhibitors and venlafaxine therapy: interaction with nonsteroidal anti-inflammatory drugs and effect of acid-suppressing agents. Arch Gen Psychiatry. 2008; 65(7): 795–803
[4] Rosien U. Deprescribing PPI: Weniger Protonenpumpeninhibitoren-Verordnung ist möglich! Arzneiverordnung in der Praxis 2019; 46: 114–118
[5] Dirkwinkel J, Bschor T. Intrakranielle Blutungen unter Antidepressiva: Erkenntnisse aus neuen systematischen Übersichtsarbeiten und Fall-Kontroll-Studien. Arzneiverordnung in der Praxis 2020; 47(3-4): 118-121
[6] Zhang Y et al. Risk of major bleeding among users of direct oral anticoagulants combined with interacting drugs: A population-based nested case-control study. Br J Clin Pharmacol. 2020; 86(6): 1150-1164
[7] S2k-Leitlinie Helicobacter pylori und gastroduodenale Ulkuskrankheit der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS); Juli 2022, AWMF-Register-Nr. 021–001
[8] Nationale Versorgungsleitlinie Unipolare Depression; September 2022, 3. Auflage
Sie wollen mehr spannende Arzneimittelinformationen erfahren?
Dann melden Sie sich jetzt zu unserem Newsletter an und Sie erhalten alle 2 Wochen interessante Informationen zu Arzneimitteln und zur Arzneimitteltherapiesicherheit.