Arzneimittel­therapie­sicherheit: Hätten Sie es gewusst?

3. Juni 2022

Ein 75-jähriger Patient mit Hypertonie und Linksherzinsuffizienz bekommt seit mehreren Jahren Lisinopril 5 mg, HCT 25 mg und Metoprololsuccinat 95 mg.  

Aufgrund einer Osteoarthritis wird ihm zusätzlich 2-mal täglich 75 mg Diclofenac verschrieben. Eine Woche später im Hochsommer wird er mit starkem Unwohlsein und Ermüdbarkeit in die Klinik eingewiesen. 
 

Was ist passiert?  

ACE-Hemmer, Diuretika und Betablocker gehören zu den am häufigsten verordneten Arzneimitteln in Deutschland. Auch die Kombinationstherapie von Blutdrucksenkern, wie Betablockern oder Hemmern des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS-Hemmer), mit Diuretika ist keinesfalls ungewöhnlich, sondern vielmehr leitliniengerecht und führt in der Regel nicht zu unerwarteten Interaktionen.  

Die Kombination von RAAS-Hemmer, Diuretikum und einem nichtsteroidalen Antirheumatikum (NSAR) hingegen führt zu einem signifikant erhöhten Risiko für ein akutes Nierenversagen und hat mit der Bezeichnung „triple whammy“ sogar ihren eigenen Namen bekommen.  

Insbesondere bei älteren, kardiovaskulär vorerkrankten Patienten, bei Hypovolämie, sowie in Kombination mit weiteren Medikamenten wie z.B. Aldosteron-Antagonisten wird die Problematik verschärft. Niedrig dosierte Acetylsalicylsäure erhöht das Risiko hingegen nicht.  

Der für die Nierenfunktion entscheidende glomeruläre Filtrationsdruck wird durch Vasokonstriktion bzw. Vasodilatation der Gefäße vor (vas afferens) bzw. nach (vas efferens) dem Glomerulum reguliert. Wichtige Botenstoffe sind einerseits Prostaglandine, welche die zuführende Arteriole des renalen Glomerulus weitstellen und andererseits Angiotensin-II, welches die abführende Arteriole eng stellt.  

Wird nun durch ein NSAR die Bildung von Prostaglandinen gehemmt (=renale afferente Vasokonstriktion), durch den ACE-Hemmer (oder einen Angiotensin-II-Antagonisten) weniger Angiotensin II gebildet (=efferente Vasodilatation), und nimmt zusätzlich durch ein Diuretikum das Blutvolumen ab (=Verringerung des hydrostatischen Drucks), kann es durch die Kombination dieser Effekte zum Erliegen der Nierenfunktion kommen.  

Bei Patienten mit schlecht einstellbarer Hypertonie, schwerer Niereninsuffizienz, Herzinsuffizienz oder generell hohem kardiovaskulärem Risiko sollte die Anwendung von NSAR und Coxiben ohnehin möglichst vermieden werden, da sie die Grunderkrankung verschlechtern, den Blutdruck steigern, und bei diesen Patienten das Risiko für arterielle thrombotische Ereignisse, wie Herzinfarkt oder Schlaganfall, erhöhen. Dies gilt vor allem für hohe Dosen über längere Zeiträume.  


Wie lässt sich das Problem vermeiden?  

Ist eine Therapie mit Schmerzmitteln notwendig, sollten – wenn möglich – andere Analgetika eingesetzt werden. Mögliche Alternativen sind beispielsweise Metamizol, Paracetamol, schwach wirkende Opioide wie Tilidin/Naloxon oder Tramadol oder Glucocorticoide. Unter Umständen können auch topische Anwendungsformen in Betracht gezogen werden. Ist dies nicht möglich, sollten NSAR in der niedrigstmöglichen wirksamen Dosis und nur so lange wie klinisch erforderlich angewendet werden. Die antihypertensive Therapie könnte auf Calciumkanalantagonisten umgestellt werden. Darüber hinaus sind, neben dem Blutdruck, Nierenfunktion und Serumelektrolyte (insb. Kalium) zu Therapiebeginn sowie wenigstens einmal jährlich – bei bereits eingeschränkter Nierenfunktion oder Medikationsänderungen auch häufiger – zu überwachen. Patienten sollten insbesondere im Sommer zu einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr angehalten werden, um eine Hypovolämie zu vermeiden.  

Ergänzend ist ein Selbstmonitoring der Patienten mit Blutdruckkontrollen, Gewichtskontrollen (Flüssigkeitsretention) und Fußkontrollen (Ödeme) sinnvoll.  

Da die meisten NSAR auch ohne Rezept im Rahmen der Selbstmedikation in Apotheken bezogen werden können, ist eine Aufklärung von Patienten mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko, bestehender Niereninsuffizienz, oder mit einer Kombinationstherapie aus RAAS-Hemmer und Diuretikum besonders wichtig.  

 

Fazit:  

Es kann leicht zu einem triple whammy kommen – auf den OTC-Einkauf in der Apotheke oder Verordnungen von Kollegen hat der (Haus-)Arzt oft wenig Einfluss und bekommt es womöglich gar nicht mit. Um das Risiko eines akuten Nierenversagens zu minimieren, gilt es jedoch – insbesondere bei Risikopatienten – die Kombination aus RAAS-Hemmer, Diuretikum und NSAR zu vermeiden.  

Vor allem die NSAR sind bei diesen Patienten aufgrund weiterer unerwünschter Wirkungen (u.a. erhöhtes Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall) besonders ungünstig und sollten so wenig wie möglich eingesetzt werden. Aufgrund der Möglichkeit der Selbstmedikation sollten Patienten und ggf. Angehörige hierzu aufgeklärt werden.  

Medikationspläne sollten stets aktualisiert und Änderungen – auch durch fachgruppenübergreifende Therapien – regelmäßig hinterfragt werden. Routinekontrollen von Blutdruck, Nierenfunktion und Kaliumwerten sind dabei unabdingbar.  
 

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Literatur:

[1] Techniker Krankenkasse: Gesundheitsreport 2021 – Arzneiverordnungen  

[2] 2018 ESC/ESH Guidelines for the management of arterial hypertension; Eur. Heart J.; 2018, 39(33): 3021-3104  

[3] Szeto CC et al. Non-steroidal anti-inflammatory drug (NSAID) therapy in patients with hypertension, cardiovascular, renal or gastrointestinal comorbidities: joint APAGE/APLAR/APSDE/APSH/APSN/PoA recommendations. Gut 2020, 69(4): 617–29  

[4] Nationale Versorgungsleitlinie Chronische Herzinsuffizienz; 3. Auflage 2019, Version 1, AWMF-Register-Nr.  nvl-006  

[5] Kalafutova S et al. The impact of combinations of non-steroidal anti-inflammatory drugs and anti-hypertensive agents on blood pressure. Adv Clin Exp Med. 2014, 23(6):993-1000  

[6] Dreischulte T et al. Combined use of nonsteroidal anti-inflammatory drugs with diuretics and/or renin-angiotensin system inhibitors in the community increases the risk of acute kidney injury. Kidney Int 2015, 88: 396–403  

[7] Hausärztliche Leitlinie Multimedikation; Mai 2021, Version 2.00, AWMF-Register-Nr. 053-043  

 

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